Taiwan Geschichte

Ich denke, wer die Menschen und die Kultur Taiwans einigermaßen verstehen will, sollte mehr über die Hintergründe und die Geschichte des Landes wissen. Denn das Land ist keineswegs vergleichbar mit beliebten Touristenzielen wie Indonesien, den Philipinen oder vielen anderen Ländern Südostasiens. Und es ist keineswegs eine kleine Version Festlandchinas, auch wenn dieses die kleine Insel im Ostchinesischen Meer für sich beansprucht. Taiwan ist mehr und auch irgendwie anders und speziell. Das Land und die Menschen haben durch die Geschichte Einflüsse aus vielen anderen Nationen und Kulturen erhalten, vorwiegend sicherlich aus China und Japan.

Taiwan, das offiziell Republik Chinas heißt, hat sich innenpolitisch zu einer stabilen Demokratie unter Präsidentin Tsai Ing-wen entwickelt. Außen- und weltpolitisch ist es jedoch ein Krisenherd. Denn gleichzeitig beansprucht die Volksrepublik China, also Festlandchina, die Insel für sich und hat  mehr als 1000 Raketen auf die Insel gerichtet. Zudem versucht China Taiwan politisch weitestgehend abzuschotten, was durchaus gelingt. Heute unterhalten nur noch 19 Staaten offizielle diplomatische Beziehungen zu Taiwan. Deutschland und die anderen europäischen Länder zählen nicht dazu. Dies liegt daran, dass man es sich nicht mit der Volksrepublik China verscherzen möchte. Um zu erklären, wieso das so ist, muss man etwas ausholen:

 

Die vorkriegszeitliche Geschichte Taiwans

Um 1517 wurde die Insel Taiwan von den Portugiesen entdeckt, welche ihre den Namen Ilha Formosa – die Schöne Insel – gaben. Im 17. Jahrhundert wurde die Insel daraufhin abwechselnd von den Niederländern, den Spaniern und den Chinesen der Ming- und dann der Qing-Dynasite besetzt und geprägt.

Etwa 200 Jahre später, in der Zeit nach dem ersten chinesisch-japanischen Krieg, ging die Insel 1895 an Japan über. Dieses schlug Proteste der der Qing-loyalen Republik nieder und erschloss das Land wirtschaftlich während der Kolonialherrschaft bis 1945. Die Kolonialherrschaft Japans über Taiwan passte in die damalige Zeit und in die Expansionspläne Japans Richtung Süden. Die Insel war die erste Kolonie Japans, welches diese als Modell für die weiteren Expansionspläne schaffen wollte. Daher stecke Japan große Anstrengungen in den Ausbau der Wirtschaft, Infrastruktur und letztlich auch die Kultur.

Heute wird die japanische Herrschaft eher gemischt gesehen, wie ich auch bei meinem Aufenthalt dort feststellte. Es gibt durchaus  nostalgische Stimmen, die viele positive Aspekte in der Besatzung sehen. Dies mag vielleicht auch daran liegen, dass viele Taiwaner den Wechsel von der japanischen Herrschaft zur Führung unter den Kuomintang schlicht als Wechsel der Fremdherrschaften sehen.

 

Nach dem zweiten Weltkrieg

Taiwan ging nach dem Ende des zweiten Weltkrieges von Japan zurück an die Republik China, welche damals in Festlandchina lag. Die Republik wurde seit 1912 durch die rechtsgerichteten Kuomintang unter General Chiang Kai-shek geführt. Daraufhin besetzten Kuomintang-Truppen die Insel, welche unter japanischer Herrschaft wirtschaftlich aufblühte und bessere Lebensbedingungen bot. Im Laufe des chinesischen Bürgerkriegs, den die Kuomintang gegen die Kommunistische Partei Chinas unter Mao Zedong führten, mussten die Truppen Chiang Kai-Sheks Niederlagen einstecken und zogen sich auf die Insel Taiwan zurück.

Chiang Kai-Shek

Chiang Kai-Shek
Quelle: Wikimedia

In den folgenden Jahren und Jahrzehnten errichteten sie dort eine Diktatur, in der andauerndes Kriegsrecht galt und die Kuomintang (KMT) den alleinigen Machtapparat bildete. Die Republik China auf der kleinen Insel Taiwan beanspruchte auch in den folgenden Jahrzehnten bis zu Beginn der 1970er Jahre für sich, legitimer Vertreter für Gesamtchina zu sein. Durch die USA erhielt die KMT Unterstützung, da die Insel strategisch günstig für den Koreakrieg lag und daher auch taktisch zum Bollwerk gegen Festlandchina ausgebaut wurde. Dadurch entstand auch die heutige Haltung beider Staaten, Taiwan als eigenständig zu betrachten, bzw. als Teil der Volksrepublik zu sehen.

Nach dem Weltkrieg festigten sowohl die Kommunistische Partei als auch die KMT ihre Macht in den jeweiligen Gebieten und beide Länder wurden zunächst weltweit diplomatisch anerkannt. Die Republik China auf Taiwan blieb UNO-Mitglied und zunächst Teil des Weltsicherheitsrates. Durch den Bedeutungsgewinn der Volksrepublik mit Beginn der 1970er Jahre änderte sich dies. Festlandchina bestand auf die sogenannte „Ein-China-Politik“, also der politischen Prämisse, neben den Stadtstaaten Hong Kong und Macau auch die Insel Taiwan zu ihrem Herrschaftsgebiet zu zählen. Die Anerkennung dieser Prämisse ist Grundlage für andere Länder, die mit der Volksrepublik diplomatische Beziehungen aufnehmen wollen. Viele Länder nahmen daraufhin Abstand von Taiwan und 1971 wurde die Volksrepublik China als alleinige Vertretung Chinas in die UNO aufgenommen.

 

Die Entwicklung zur heutigen Demokratie

Trotz der Isolation blühte in Taiwan die Wirtschaft in den folgenden Jahrzehnten weiter auf. Zunächst durch billige Arbeitskräfte, später also als Entwicklungsstandort für die Computerindustrie. Zu den weltweit bekannteren taiwanischen Unternehmen dieser Branche zählen beispielsweise Acer, Asus oder HTC. Neben dem wirtschaftlichen Wandel vollzog sich auch ein politischer in Richtung Demokratisierung, da die herrschende Partei KMT auf Druck der USA auch andere Parteien und die freie Wahl zuließen.

Im Jahr 2000 kam es dann zum Machtwechsel zugunsten der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) unter Präsident  Chen Shui-bian, was in der Volksrepublik negativ aufgenommen wurde. Die DPP sieht sich als Vertreterin der gebürtigen Taiwaner, die wiederum einen ausgeprägten Nationalstolz haben und sich nicht als Teil Festlandchinas betrachten. Zu einer Entspannung kam es, als 2008 wieder die KMT regierende Partei wurde. Jedoch habe ich in dieser Zeit verstärkt auch bei der Jugend großen Nationalstolz für Taiwan festgestellt, was in einigen Studentenbewegungen mündete. Seit 2016 ist wieder die DPP Mehrheitspartei und stell Präsidentin Tsai Ing-wen.